Mittwoch, Januar 20, 2010

"J'ai tellement pris l'habitude de marcher en travaillant que je n'arrive plus à dissocier la photographie de ce mouvement, tant et si bien que si l'on essayait de retracer mon itinéraire on aurait du mal à y voir autre chose qu'un zigzag incohérent. En regardant le soir, sur une carte, avec amusement, le parcours suivi dans la journée, je n'ai jamais réussi à y trouver la moindre logique. Pourtant, mon appareil me dit toujours òu aller et il me semble qu'ensemble nous poursuivons une sorte d'animal imaginaire. Comme Alice au pays des merveilles suit un lapin toujours pressé de l'emmener plus loin, je me déplace avec la volonté inconsciente de résoudre une énigme.
[...] L'appareil photographique est une invention à caractère anthropomorphique en cela qu'il tente de reproduire le processus de la vision humaine. Le diaphragme fonctionne comme la pupille, laissant passer plus ou moins de lumière selon son ouverture; l'obturateur, comme un clignement d'oeil, vient s'ouvrir et se fermer sur demande; la surface sensible d'un film ou celle d'un capteur numérique permet de mémoriser une image alors qu'elle a disparu, tout comme la persistance rétinienne. C'est à cause de toutes ces similitudes que le photographe peut avoir l'impression de se voir en train de voir et de passer, au moment où la photo est prise, de l'autre côté du miroir.
[...] Se pourrait-il que le voyage devienne en soi un laboratoire, un studio? Il permet en tout cas une certaine réflexivité, ainsi qu'un silence intérieur propice à la création. Chaque chemin est l'occasion de retrouver le calme nécessaire pour travailler. Le voyage, comme un atelier à ciel ouvert, encercle les journées d'un rhythme précis. [...] le voyage, paradoxalement, enferme celui qui s'y livre et lui procure une concentration et un recueillement optimaux. Personne ici ne vient frapper à la porte, le téléphone ne sonne plus, les images des autres restent à bonne distance: le photographe est dans un atelier immense où seul l'occupe l'exercice du regard.
[...] au matin, comme le moine qui se réveille dans sa cellule voit autour de lui les signes de l'ordre auquel il appartient, je retrouve sur ma table de chevet mon appareil qui m'attend. Je suis alors dans une sécurité similaire à celle du cistercien qui tourne mille fois autour du cloître sans se lasser de sa ronde. J'épouse un rhythme qui colle à mon regard, la lumière me réveille, et c'est avec elle aussi que je me couche."
MATTHIEU RAFFARD: La soif d'images: petites révélations sur la lumière et la photographie. Paris: Transboréal 2009, 43-44, 74, 79-81

Dienstag, Januar 12, 2010



Bild: Hugo Keller
Rousseau-Denkmal, St. Petersinsel, Schweiz, 10.01.2009

"Im Verlauf unseres eigenen, jetzt beinah beendeten Jahrhunderts hat die Rousseaubegeisterung sich allmählich gelegt. Jedenfalls haben sich in den paar Tagen, die ich auf der Insel verbrachte und während derer ich mehrere Stunden im Fenster des Rousseauzimmers gesessen bin, nur zwei der Ausflügler, die zum Spazierengehen und Brotzeitmachen auf die Insel herüberkommen, in die spärlich bloss mit einem Kanapee, einem Bett, einem Tisch und einem Stuhl möblierte Kammer verirrt, und auch diese beiden sind, offenbar enttäuscht von dem wenigen, das es da zu sehen gab, gleich wieder gegangen. [...] Mir aber war es in dem Rousseauzimmer, als sei ich zurückversetzt in die vergangene Zeit, eine Illusion, auf die ich umso leichter mich einlassen konnte, als auf der Insel dieselbe, von keinem noch so fernen Motorgeräusch gestörte Stille herrschte wie überall auf der Welt vor hundert oder zweihundert Jahren. Besonders gegen Abend, wenn die Tagesausflügler wieder heimgekehrt waren, tauchte die Insel ein in eine Ruhe, wie es sie sonst im Umkreis unserer Zivilisation fast nirgends mehr gibt, und in der nichts mehr sich rührte ausser vielleicht die Blätter der mächtigen Pappeln in den Brisen, die manchmal entlangstrichen am See. Immer heller wurden die mit feinem Kalkschotter befestigten Wege, als ich in der zunehmenden Dämmerung auf ihnen dahinging, vorbei an umzäunten Weiden, an einem blassen, reglosen Haberfeld, an einem Weinberg und einem Winzerhäuschen bis hinauf zu den Böschungen am Rand des schon nachtschwarzen Buchenwalds, von wo aus ich die Lichter angehen sah, eines ums andere am jenseitigen Ufer. Die Dunkelheit schien aus dem See aufzusteigen, und einen Augenblick lang tauchte in mir, wo ich hinabschaute, ein Bild auf, das etwa einer Farbtafel in einem alten Naturkundebuch glich und das, freilich um vieles schöner und genauer als solch ein kolorierter Druck, zahlreiche Seefische zeigte, wie sie schlafend in den tiefen Strömungen standen zwischen den finsteren Wänden des Wassers, hinter- und übereinander, grössere und kleinere, Rotaugen und Rotfedern, Elritzen und Lauben, Haseln und Hechte, Saiblinge und Forellen, Welse, Zander und Barben und Schleien und Äschen und Karauschen."
W.G. SEBALD: J'aurais voulu que ce lac eût été l'Océan - anlässlich eines Besuchs auf der St. Petersinsel. In: Logis in einem Landhaus. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch Verlag 2000, 50-51

Sonntag, Januar 10, 2010

"Der Mythos ist nicht auszurotten: Der Arbeitskuchen ist [...] fix und muss deshalb möglichst 'sozial' verteilt werden - wozu Massnahmen wie die Begrenzung der Einwanderung oder eine Zunahme der Frühpensionierungen dienen sollen. Dieser Mythos hält sich so hartnäckig, weil er gelebter Realität entspricht: Ein deutscher Stellensuchender erhält den Vorzug vor einem Schweizer, oder ein 63-Jähriger geht in Pension, und eine Nachwuchskraft kann nachrücken. Ebenso entspricht es gelebter Realität, dass die Erde flach ist. Und so wie die Erde nicht flach ist, so ist der Arbeitskuchen nicht fix. Volkswirtschaften mit Zugriff auf eine wachsende erwerbsfähige Bevölkerung erhalten die Chance auf zusätzliches Wissen und zusätzliche Nachfrage. Die Schweiz ist das beste Beispiel. Ihre Bevölkerung hat sich seit 1900 mehr als verdoppelt, die Beschäftigung hat sich sogar verdreifacht. Das Land hat einen der weltweit höchsten Ausländeranteile, eine der höchsten Beschäftigungsquoten für ältere Personen und gleichzeitig eine der tiefsten Arbeitslosenquoten.
Die Arbeit wird der Schweiz auch in Zukunft nicht ausgehen. Doch die Rezession und ihre Nachwirkungen werden den Arbeitsmarkt noch einige Zeit belasten."

HANSUELI SCHÖCHLI: Die Arbeit wird der Schweiz nicht ausgehen. In: NZZ, 09.01.2010, 27

Erlach, Schweiz, 10.01.2010 Video: Hugo Keller

Sonntag, Januar 03, 2010

"In seinem Buch "Der wunderbare Weg" schreibt der amerikanische Psychiater M. Scott Peck von der Liebe als einem Akt, sich selbst zum Wohle anderer zu erweitern. Ich halte das auch für eine ziemlich gute Definition von Kunst, und es wundert mich überhaupt nicht, dass die Definitionen von Liebe und Kunst die gleichen sind.

[...] in der Literatur weiss man von vornherein, dass alles erfunden ist, und nur in der Literatur kann man sich deshalb in ein Leben hineinbegeben, das definitiv nicht das eigene ist. Leute, die andere zu Mördern ausbilden, tun das genaue Gegenteil von dem, was die Literatur leistet: Sie bringen einen dazu, keine Empathie zu empfinden und zu glauben, dass ein anderes Leben keinerlei Wert hat, dass der andere ein 'Untermensch' sei, denn wenn er ein Mensch wäre, könnte man ihn nicht töten. Die Literatur hingegen macht den anderen zum 'Übermenschen'.
[...]
Am Ende ist alles eine Geschichte - nicht zuletzt die Geschichte vom eigenen Leben und von der Macht, über die man darin verfügt. Normalerweise hat man nicht besonders viel Kontrolle über sein eigenes Leben, aber wenn man einmal begriffen hat, dass man Teil einer Geschichte ist, auf die man einwirken kann, gewinnt man auch Macht über sein eigenes Leben.
[...]
Wir haben keine wirklichen Demokratien, und wir sind nicht wirklich frei. Das Individuum wird in unserer Gesellchaft in erster Linie als Einheit betrachtet, die kauft und konsumiert - nicht zuletzt auch die Geschichten, die man uns über das eigene Leben erzählt, von denen die meisten allerdings nicht stimmen."

Aus: Am Ende ist alles eine Geschichte: die schottische Schriftstellerin A.L. KENNEDY bekennt sich zum Glauben an die Macht der Literatur. In: NZZ, 31.12.2009, 59

Bild: Hugo Keller
Bern - Wynigen, 13.09.2009