tag:blogger.com,1999:blog-84623982024-03-13T05:00:51.286+01:00LibetHugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.comBlogger374125tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-6828083597125549052024-01-29T17:40:00.001+01:002024-01-29T17:40:54.111+01:00<div style="text-align: left;"> "Welchen Weg ich gegangen sei?<br />Keinen.<br />Es war das Leben, das mit mir auf und davon ging.<br />Was hinterher wie ein Weg aussieht,<br />hat sich unmerklich an meine Fersen geheftet."</div><div style="text-align: left;">KURT MARTI<br /></div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-79549525522336577222024-01-02T11:59:00.001+01:002024-01-02T11:59:23.886+01:00<div style="text-align: justify;">"Der Traum von Schnee und Frost wird mit jedem Jahr nostalgischer, als wären sie endgültig irgendwo in der märchenhaften Kinderwelt geblieben, als wären Eisblumen und Schnee die Kindheit selbst. Der Schnee tritt in die Vergangenheit zurück, zieht höher in die Berge, weiter nach Norden. Sogar ein gewöhnlicher Winterurlaub bekommt Züge einer Pilgerfahrt Richtung Schnee. So wie man früher in dürren Jahren den Regen herbeigerufen hat, hat man in Moskau nun angefangen, den Schnee zu beschwören, wenn auch nur im Spass und auf Facebook. Seit kurzem gibt es in Russland den hochmütigen Begriff 'Euro-Winter', womit nicht nur der schneelose europäische Winter gebrandmarkt, sondern unterschwellig - wenn auch ironisch - die Demokratie der lauwarmen Europäer verspottet wird. Denn: alles schmilzt."<br /></div>KATJA PETROWSKAJA: Eisblumen von Davos. In: Dies.: Das Foto schaute mich an : Kolumnen. Berlin : Suhrkamp Verlag, 2022. (Bibliothek Suhrkamp ; Band 1535), 183Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-56647712989498778342024-01-02T11:02:00.002+01:002024-01-02T11:03:38.056+01:00<div style="text-align: left;"> "Keines verbleibt in derselben Gestalt, und Veränderung liebend,<br />Schafft die Natur stets neu aus anderen andere Formen,<br />Und in der Weite der Welt geht nichts - das glaubt mir - verloren;<br />Wechsel und Tausch ist nur in der Form. Entstehen und Werden<br />Heisst nur, anders als sonst anfangen zu sein, und Vergehen<br />Nicht mehr sein wie zuvor."</div><div style="text-align: left;">OVID: Metamporphosen, zit. nach: HERLINDE KOELBL: Metamorphosen = Metamorphoses. Göttingen : Steidl, 2022<br /></div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-72029678886234049532023-12-31T14:50:00.006+01:002024-01-02T11:49:21.963+01:00<p>"My heart doesn't hurt anymore<br />But my soul does, maybe<br />That's what souls are for, to<br />Take the hurt the heart can't take<br />The heart can't take"</p><div style="text-align: left;">Aus: JOHN TRUDELL: Doesn't hurt anymore </div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-5951577254847775322023-12-17T14:23:00.005+01:002023-12-31T14:51:27.364+01:00<div style="text-align: justify;">"Was für Dinge? Jede Beobachtung muss sich von dem vertrauten Entzifferungscode, den sie bei sich hat, trennen, muss sich treiben lassen inmitten von allem, was sie nicht versteht, um eine Mündung erreichen zu können, wo sie sich verloren fühlen wird. Als ein natürlicher Hang, der uns mitzieht wie ein Sog, bringt uns jede intensive Beobachtung der Aussenwelt vielleicht unserm Tod näher; anders gesagt: sie verringert den Riss, der uns von uns selbst trennt."<br /></div><div style="text-align: left;">GIANNI CELATI: Landauswärts. Aus dem Italienischen von Marianne Schneider. Frankfurt am Main : Suhrkamp, 1996. (suhrkamp taschenbuch ; 2603), 10</div><div style="text-align: justify;">"Als ich noch jung war, las ich unentwegt, ich hatte Angst, ich könnte etwas versäumen, und jetzt kommt es mir vor, als fliesse das Versäumte und das Gefundene in demselben Flussbett dahin.<br />Das einzige, was man verstehen kann, ist vielleicht, dass wir Fremdlinge sind in diesem Tal der Tränen, nicht hineinpassen in dies einzige Leben (Unglück, Schmerz, Tod), das wir haben. Und dass alles darauf hinarbeitet, uns das Gedächtnis zu nehmen, uns hilft, Dämme zu errichten, damit wir sagen können, 'es hat auch seine guten Seiten', damit wir Gartenzwerge vor unsere Haustür stellen, kurz, damit wir immer und überall sagen und zeigen, dass dies Leben etwas ganz anderes ist, als es ist."<br /></div><div>Ebd., 52f<br /></div><div style="text-align: justify;">"Luciano am Steuer, er redet mit mir: 'In manchen Augenblicken habe ich Lust, alles zu fotografieren, alles, was ich sehe, erscheint mir interessant. Dann schaue ich ins Objektiv und alles erscheint mir ganz gewöhnlich aus denselben Gründen wie vorhin, als ich es fotografieren wollte. Wenn ich hingegen nicht daran denke, dass ich fotografieren muss, dann passiert beinahe das Gegenteil: ein einzelner Gegenstand beeindruckt mich, ganz für sich allein, ohne viel zu überlegen, bringe ich ihn ins Bild und sehe, dass er im Bildausschnitt ein Eigenleben entwickelt. Das Problem ist vor allem der Bildausschnitt. Auch der Gemütszustand spielt eine Rolle.'"<br /></div><div>Ebd., 74<br /></div><div style="text-align: justify;">"Da draussen herrscht ein Potential an Depressionen, das dir, sobald es dich packt, die Lust nimmt, dir nach Art eines distanzierten Beobachters eine Vorstellung von allem zu machen."<br /></div><div>Ebd., 90<br /></div><div style="text-align: justify;">"[...] dann kommen mir die in den Sinn, die alles mit grossen Abstraktionen ins Lot bringen, nur an das glauben, was sie in ihren Büchern und Zeitungen lesen, und die ganze Welt von oben herab behandeln, weil sie es nicht ausstehen können, sich versprengt zu fühlen und der Zufälligkeit der Erscheinungen ausgesetzt zu sein. Wenn du das Gefühl hast, alles zu verstehen, vergeht dir die Lust am Beobachten."<br /></div><div>Ebd., 113f</div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-76116372507113770452023-10-14T13:08:00.004+02:002023-10-14T14:24:04.644+02:00<div style="text-align: justify;"> "Mein Großvater pflegte zu sagen: 'Das Leben ist erstaunlich kurz. Jetzt
in der Erinnerung drängt es sich mir so zusammen, daß ich zum Beispiel
kaum begreife, wie ein junger Mensch sich entschließen kann ins nächste Dorf zu reiten, ohne zu fürchten, daß - von unglücklichen
Zufällen ganz abgesehen - schon die Zeit des gewöhnlichen, glücklich
ablaufenden Lebens für einen solchen Ritt bei weitem nicht hinreicht.'" </div><div style="text-align: left;">FRANZ KAFKA: Das nächste Dorf. </div><div style="text-align: justify;"><b>"In einer von Franz Kafkas Parabeln sagt der Grossvater, er könne kaum begreifen, warum ein junger Mensch sich entschliesse, ins nächste Dorf zu reiten, obwohl doch die Lebenszeit dazu bei weitem nicht ausreiche. Was meint er damit?"</b></div><div style="text-align: justify;">"Kafkas Werk ist von einer solch atemberaubenden Gegenwärtigkeit, dass mir beim Lesen regelrecht schwindelig wird. Die Reinheit des Augenblicks ist bei ihm durch nichts gestört. Alle anderen sind dagegen geschwätzig. Der Grossvater ist die Inkarnation Kafkas selbst: Auch in dieser Parabel geht es um eine vollständige Wahrnehmung des Augenblicks, in der es keine Vergangenheit und Zukunft gibt, um lauter Unendlichkeiten, die sich bei der Betrachtung jedes Dings, das auf dem Weg ins nächste Dorf liegt, offenbaren."</div><div style="text-align: left;">MANFRED OSTEN ; [im Gespräch mit] Dirk Gieselmann: "Worum sorgen wir uns? Dass wir nicht mehr zum Leben kommen!" In: Das Magazin. 2023, N° 41, 22-23<br /></div><div style="text-align: left;"><br /></div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-30077378556221182842023-10-05T15:58:00.003+02:002023-12-17T14:44:02.645+01:00<div style="text-align: left;"> "Der Mensch, der seine Wurzeln kappt, der sie verliert und vor der Vergangenheit flieht, findet in dieser Welt keine Zuflucht mehr."</div><div style="text-align: left;">JÓN KALMAN STEFÁNSSON: Dein Fortsein ist Finsternis : Roman. Aus dem
Isländischen von Karl-Ludwig Wetzig. München : Piper, © 2022, 368</div><div style="text-align: justify;">"[...] Wir haben nur uns, und das Leben ist zu kurz und dornig, um seine Liebsten zu verstossen. [...], die Stärke eines Menschen bemisst sich danach, ob er in der Lage ist, sich selbst zu helfen, oder nicht. [...] Der wichtigste Kampf eines Menschen ist der, den er gegen sich selbst führt. Ich muss meinen inneren Saustall aufräumen."</div><div style="text-align: justify;">Ebd., 458</div><div style="text-align: justify;">"Aber wer sich nie anderen anvertraut, wird nach und nach zu einem Schneckenhaus. Der kriecht, in sein Haus zurückgezogen, durchs Leben, rollt sich um einen Kern zusammen - und all das Wichtige, über das er nie spricht, verschmilzt mit dem Gehäuse und wird mit den Jahren immer härter, mit der Folge, dass es für andere immer schwerer wird, an dich heranzukommen, und für dich, andere zu erreichen. Die Schale wird Abwehrbollwerk und Gefängnis in einem. Möchte man so leben? Möchte man so sterben?"</div><div style="text-align: justify;">Ebd., 492</div><div style="text-align: justify;">"Jeder wird mit seinem Wesenskern geboren. Natürlich haben Ereignisse im Leben ihre Einwirkung darauf, aber wenn er solide ist, dann verändern sie den Menschen nicht in seiner Substanz. Du bist, wer du bist, und das warst du immer. Aber es ist notwendig für dich zu vergeben. Zu verzeihen ist manchmal das Gleiche, wie zu sich selbst zu stehen. Wer andern vergibt, findet sich selbst. Und wer sich selbst findet, ist frei."</div><div style="text-align: justify;">Ebd., 529<br /></div><div style="text-align: justify;"><br /></div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-6972552878020175902023-09-17T18:04:00.002+02:002023-09-17T18:12:22.968+02:00<div style="text-align: justify;"> "Was wichtig ist und dauerhaft Einfluss auf dich hat, tiefgehende Gefühle, leidvolle Erfahrungen, schockierende Erlebnisse, unbändiges Glück, Heimsuchungen oder Gewalt, die in die Gesellschaft einbrechen oder in deine Welt, das alles kann so tief eindringen, dass es sich in den Genen niederschlägt, wo es an andere Generationen weitergegeben wird - und so bereits Ungeborenes prägt. Das ist ein Naturgesetz. Die Gene tragen Eindrücke, Erinnerungen, Erfahrungen und Erschütterungen von einem Leben ins nächste, und in diesem Sinn existieren manche von uns noch lange, nachdem wir bereits verschwunden und vollständig vergessen sind. Die Vergangenheit lebt so ewig in uns weiter. Sie ist der unsichtbare, geheimnisvolle Kontinent, von dem du manchmal im Halbschlaf eine Ahnung bekommst. Ein Kontinent mit Bergen und Meeren, die permament Einfluss auf das Klima und die Lichtverhältnisse in dir nehmen."</div><div style="text-align: left;">JÓN KALMAN STEFÁNSSON: Dein Fortsein ist Finsternis : Roman. Aus dem Isländischen von Karl-Ludwig Wetzig. München : Piper, © 2022, 7</div><div style="text-align: justify;">"Es gibt viele Blickwinkel, aus denen man die Welt betrachten kann, und deine Perspektive verrät vermutlich eine Menge über deinen Charakter. Sag mir, wie du die Welt siehst, und ich sage dir, wer du bist."</div><div style="text-align: left;">ebd, 172</div><div style="text-align: justify;">"Aber weisst du, ich glaube, es stimmt, was gesagt wurde, dass Schönheit dich unglücklich machen kann, weil das Leben bei einem Vergleich fast immer schlechter abschneidet."</div><div style="text-align: left;">ebd., 222</div><div style="text-align: justify;">"Muss man nicht erst einmal aufrecht stehen können, bevor man irgendwohin gehen kann? Und wie kommt man weg, wenn man alle Kraft dafür aufwenden muss, überhaupt durchzukommen?"</div><div style="text-align: left;">ebd., 224<br /></div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-9545095102790076422023-06-17T10:54:00.002+02:002023-06-17T10:54:09.870+02:00<div style="text-align: justify;"> "Das aber, als was ich übrigbleibe, setze die ewige Sonne droben in einen ihrer grünen Frühlinge, in keinen düstern Winter."<br /></div><div style="text-align: left;">JEAN PAUL: Flegeljahre<br /></div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-17364993789615621962023-05-14T14:54:00.005+02:002023-05-14T14:57:30.554+02:00<div style="text-align: justify;">"[Ayse] Yavas: Ich hasse es, wenn mich jemand fragt, woher ich komme.<br />[Deniz] Yüksel: Die Frage rührt daher, dass die Schweiz erst allmählich beginnt, sich als Migrationsgesellschaft zu verstehen, obwohl knapp die Hälfte der Bevölkerung eine Migrationsgeschichte hat. Wenn Menschen, die hier geboren wurden, immer wieder mit der Herkunftsfrage konfrontiert werden, fühlen sie sich ausgeschlossen.<br />Magazin: Was bräuchte es denn, damit sich Menschen wie Sie hier nicht mehr ausgeschlossen fühlen?<br />[Ayse] Yavas: Zum Beispiel ein Denkmal eines Gastarbeiters, als Kontrast zu all den Statuen von Industriellen. Warum nicht ein Denkmal meines Vaters, der 1963 als erster Türke nach Brugg kam?"<br /></div>Aus: Türkisch für Fortgeschrittene / Gespräch: Barbara Achermann & Tugba Ayaz. In: Das Magazin, N°18 (2023), 6. Mai 2023, 10-19, 19 Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-18165639437217454482023-05-14T14:37:00.000+02:002023-05-14T14:37:43.545+02:00<p>LUCINDA WILLIAMS: Side of the road</p><div style="text-align: left;">You wait in the car, <br />On the side of the road.<br />Let me go and stand awhile,<br />I want to know you're there, but I want to be alone.<br />If only for a minute or two,<br />I want to see what it feels like to be without you.<br />I want to know the touch of my own skin,<br />Against the sun, against the wind.</div><div style="text-align: left;"><br />I walked out in a field,<br />The grass was high, it brushed against my legs.<br />I just stood and looked out at the open space,<br />And a farmhouse out a-ways.<br />And I wondered about the people who live there.<br />And I wondered if they were happy and content.<br />Were there children and a man and a wife?<br />Did she love him and take her hair down at night?</div><div style="text-align: left;"><br />If I stray away too far from you,<br />Don't go and try to find me.<br />It don't mean I don't love you.<br />It don't mean I won't come back and stay beside you.<br />It only means I need a little time,<br />To follow that unbroken line.<br />To a place where the wild things grow,<br />To a place where I used to always go.</div><div style="text-align: left;"><br />La la la, la la la, la la la, la la la,<br />La la la, la la la, la la la, la la la,</div><div style="text-align: left;"><br />If only for a minute or two,<br />I want to see what it feels like to be without you.<br />I want to know the touch of my own skin,<br />Against the sun, against the wind</div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-29584305114883710742023-01-04T10:13:00.002+01:002023-01-04T10:13:14.533+01:00<div style="text-align: justify;">"Dina cleared her throat, got up and held an improv-lecture-performance that blew me away. Apparently, Le Guin proposes a different way of looking at early humans than the one of the big hunter-hero-meat-eater-stories. Namely the carrier bag theory of evolution. Meat, she writes, was not the main dish of early humans. Nay, nay. Believe it or not, our ancestors mostly ate vegetables, roots, berries. Things one collects. And rahter than weapons, phallic knives, the earliest objects probably were containers, carrier bags, nets: something where you could keep your food. Keep it from becoming wet or eaten by other animals. An object, with which you can carry your carefully collected veggie-snack back home and store it, also. So this is the collecting-veggies-and-storing-them-kind-of-narrative. A story told in this manner doesn't have a one-way direction, a clear goal, one central conflict, a hero. Rather, it holds things. Like berries in a bag. They don't have one clear order. This way of telling stories gives things a space to be, to be kept, to be sheltered, to be shared, to be passed down, to come to life. 'A novel is a medicine bundle', Le Guin says, 'holding things in a particular, powerful relation to one another and to us.'"</div><div style="text-align: justify;">KIM DE L'HORIZON: Blutbuche. Köln : DuMont, 2022, 286<br /></div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-9949888560609895772022-11-25T10:17:00.007+01:002022-11-25T10:17:59.876+01:00<div style="text-align: justify;"> "Dass einer, von einem Standpunkt aus, den wir nicht teilen, seine Betrachtungen anstellt, heisst nicht, dass diese Betrachtungen wertlos sind. Es ist möglich, dass er von dort aus Dinge sieht, die uns von unserem Standpunkt aus entgehen."</div><div style="text-align: justify;">Aus MANI MATTERS "Sudelheften", zit. nach: Nadine A. Brügger: "Dä, wo so Liedli schribt : heute vor 50 Jahren starb Mani Matter : Betrachtungen über einen, der die Schweiz verstand". Neue Zürcher Zeitung. Donnerstag, 24. November 2022, 32<br /></div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-24474958531692153552022-11-22T12:57:00.002+01:002022-11-22T12:58:31.849+01:00<div style="text-align: justify;">"Die Lüge ist [...] in der Politik verblüffend akzeptiert: Fast niemand wundert sich darüber. Das deshalb, weil der Job des Politikers nicht die Beschreibung der Wirklichkeit ist, sondern ihre Veränderung. Und nichts verändert die Wirklichkeit so effizient wie eine Lüge.</div><div style="text-align: justify;">Nur hat die Lüge den Haken, dass sie nicht die Tatsachen verändert, nur deren Wahrnehmung. Und dass sie nur so lange trägt, wie sie erfolgreich ist: solange sie dem Lügner die Macht verschafft, dass andere seine Lüge glauben – oder glauben, sie für die Karriere glauben zu müssen.</div><div style="text-align: justify;">Was heisst, dass die Strategie der systematischen Lüge in der Politik ebenso wie in Geschäft oder Familie grundsätzlich Richtung Autokratie führt: weil sie nur so eine solide Basis bekommt, dauerhaft zur Wahrheit zu werden. Der Todfeind der politischen Lüge ist deshalb auch nicht die Widerlegung, sondern der Machtverlust." <br /></div><div style="text-align: left;">REPUBLIK, Newsletter vom 21.11.2022 <br /></div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-61592098869303847692022-11-21T09:39:00.003+01:002022-11-21T09:43:55.545+01:00<div style="text-align: justify;"> "Wo Subjekte Schönheit erfahren, erfahren sie die Möglichkeit einer gelingenden Beziehung zur Welt und damit <i>reales Glück</i> - weil diese Beziehung indessen nicht ihre alltägliche und praktisch-tätige Weltbeziehung, nicht ihre gelebtes Weltverhältnis beschreibt, bleibt sie zugleich auch <i>Schein</i>, der Trauer und Sehnsucht erzeugt. '[Es] gibt [...] keine Erfahrung der Schönheit, in der sich nicht in das Glück der Erfüllung Trauer über seine Unwirklichkeit mischte', konstatiert Menke völlig zu Recht. Der vermeintliche Gegensatz zwischen Schönheit und Glück liesse sich damit so auflösen, dass Schönheit Glück ist, weil sie reine Resonanz ist - und dass sie Schein bleibt, weil die menschliche Weltbeziehung als ganze niemals reine Resonanz werden kann."</div><div style="text-align: left;">HARTMUT ROSA: Resonanz. Erste Auflage. Berlin : Suhrkamp, 2016, 482-483 <br /></div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-69395546394190456182022-11-18T21:56:00.010+01:002022-11-21T10:02:47.798+01:00<div style="text-align: justify;"> "Ich kann nicht mehr schreiben. Ich habe versucht, mir Bilder zu machen. Aber schreiben kann ich nicht mehr. Ich hatte einen Traum. Ich träumte, dass ich mein Schiff verlassen hätte, in die Stadt gegangen sei und dass ich dort ein Zimmer gemietet hätte. Ohne wirklich zu wissen warum. Ich blieb dort und wartete, unbeweglich. Mir träumte, die Stadt sei weiss. Das Zimmer sei weiss und auch, dass die Einsamkeit weiss ist, dass die Stille weiss ist. Ich bin müde. Ich würde gerne wieder lernen, über die Dinge zu sprechen. Ich denke an dich, ich liebe dich sehr."</div><div style="text-align: justify;">Paul in "Dans la ville blanche" (1982) von ALAIN TANNER</div><div style="text-align: justify;">"Es geht mir gut. Ich bin frei. Ich tue nichts. Ich bin nicht in den Ferien. In den Ferien tut man etwas. Man organisiert seine Freiheit. Ich nicht. Ich tue nichts.</div><div style="text-align: justify;">Ebd.</div><div style="text-align: justify;">"Das einzige Land, das ich wirklich liebe, ist das Meer. Ich liebe sie. Ich liebe dich."</div><div style="text-align: justify;">Ebd.<br /></div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-47348221141331086282022-11-07T20:15:00.010+01:002022-11-25T10:19:18.664+01:00<div style="text-align: justify;">"Was ich behielt lag weniger auf dem Gebiet der allgemeinen Bildung als auf dem Gebiet der Empfindungen, mein Wissen setzte sich zusammen aus bildmässigen Erfahrungen, aus Erinnerungen an Laute, Stimmen, Geräusche, Bewegungen, Gesten, Rhythmen, aus Abgetastetem und Gerochenem, aus Einblicken in Räume, Strassen, Höfe, Gärten, Häfen, Arbeitsplätze, aus Schwingungen in der Luft, aus Spielen des Lichts und des Schattens, aus Regungen von Augen, Mündern und Händen."</div><div style="text-align: justify;">PETER WEISS: Abschied von den Eltern. Erste Auflage. Frankfurt am Main :
Suhrkamp Verlag, 1980. (Bibliothek Suhrkamp ; 700), 69</div><div style="text-align: justify;"> "Das Vergangene stieg auf wie eine Atemnot, wie der Druck einer Zwangsjacke, das Vergangene legte sich in tintigen, langsam sickernden Stunden um mich, und dann konnte es plötzlich zurücktreten und nichtig werden und einen kurzen Blick in die Freihet zulassen. Da sah ich meine Eltern voller Mitgefühl und Mitleid. Sie hatten uns alles gegeben, was sie uns geben konnten, sie hatten uns Kleider und Nahrung und ein gepflegtes Heim gegeben, sie hatten uns ihre Sicherheit und ihre Ordnung gegeben, und sie verstanden es nicht, dass wir ihnen nicht dafür dankten. Sie konnten es nie verstehen, dass wir ihnen entglitten. Aus der dumpfen Ungewissheit, Fehler begangen zu haben, kauften sie sich mit teuren Geschenken los, Geburtstage und allgemeine Festtage waren Abzahltage ihrer unbewussten Schuld. Und immer waren die Geschenke falsch, soviel wir auch bekamen, immer standen wir da mit unzufriedenen, nach Mehr fragenden Blicken. Das was wir haben wollten bekamen wir nicht, und wir wussten nicht, was wir haben wollten. So standen wir voreinander, wir Kinder unzufrieden, und die Eltern beleidigt, und unfähig waren wir, uns voreinander zu erklären. Und die Versperrtheit habe ich in mir übernommen. In mir übernommen habe ich das Missverständnis meiner Eltern. Die Befangenheit meiner Eltern wurde zu meiner eigenen Befangenheit. Ihre Stimmen leben in mir."</div><div style="text-align: justify;">Ebd., 94-95</div><div style="text-align: justify;">"Jetzt musste ich mich ganz aus dem Alten losreissen, oder zurücksinken."</div><div style="text-align: justify;">Ebd., 129</div><div style="text-align: justify;">"Unendlich langsam wachsen die Veränderungen heran, man merkt sie kaum. Manchmal empfand ich einen kurzen Stoss, und dann glaubte ich, etwas sei anders geworden, und dann schlug das Grundwasser wieder über mir zusammen und verbarg das Gewonnene im Schlamm."</div><div style="text-align: justify;">Ebd., 137</div><div style="text-align: justify;">"Da hatte ich mich selbst, ganz für mich allein, und niemand beobachtete mich, und niemand hemmte meine Schritte, ich konnte mit meinem Tag machen was ich wollte, und das war das Unmögliche, mit mir selbst fertig zu werden, mir selbst ein Dasein zu schaffen. Da stand ich, in dieser Stadt Prag, und sollte mich beweisen, ..."</div><div style="text-align: justify;">Ebd., 142</div><div style="text-align: justify;">"Ich verlor das manische Bedürfnis, tätig zu sein, und konnte am Seeufer in der Sonne liegen, oder im trockenen Gras einer Waldlichtung, ohne dass mich das schlechte Gewissen plagte. Und wenn ich etwas zeichnen oder niederschreiben wollte, so konnte ich vorher lange warten und meditieren, und das Zeichnen und Schreiben war nicht so wichtig, ich konnte es auch bleiben lassen, es war wichtiger, dass ich da war, dass ich lebte, und vor dem Arbeiten musste ich erst das Erleben lernen.<br /></div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-83613012137684082982022-10-25T11:09:00.007+02:002022-10-25T11:30:48.579+02:00<div style="text-align: justify;">"Ein Bild muss man nicht verstehen, sondern sehen."<br /></div><div>Péter Nádas<br /> </div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-50713374193208778702022-10-23T23:33:00.011+02:002022-10-23T23:40:29.911+02:00<b>Paul:</b> Warum mögen Sie keine Autos?<br /><b>Charles:</b> Das hat viele Gründe.<br /><b>Paul:</b> Welche?<br /><b>Charles:</b> Nun, erstens, die Position des Lenkers ist sehr ungesund. Sie verhindert die Verdauung und verfettet das Herz.<br />Zweitens, der Strassenverkehr ist die dramatische Kunst der Dummköpfe. Die Unfälle sind erbärmliche Tragödien, und die Gefahren der Strasse sind alles, was uns an Abenteuern noch bleibt.<br />Drittens, der Automobilismus ist ein System der Anhäufung, das keinen Austausch ermöglicht, ausser natürlich der Grobheiten, und die Leute kommen nie zusammen. Es ist eine soziale Zersplitterung: jedermann in seiner kleinen Kiste.<br />Letztlich, durch das Auto tyrannisieren uns die Erdölgesellschaften und Blechhändler, Vermögen werden ausgegeben für Strassen und Polente, sie verpesten die Welt, und die Leute glauben noch, sie seien wunschlos glücklich.<br /><b>Paul:</b> Nun, Alter, Sie wissen aber viel!<div style="text-align: justify;"><p>Dialogszene aus "Charles mort ou vif" (1969) von ALAIN TANNER </p></div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-59495645067581798882022-08-22T21:38:00.006+02:002022-08-22T21:38:50.943+02:00<div style="text-align: justify;"> "Der Mensch lebt noch überall in der Vorgeschichte, ja alles und jedes
steht noch vor Erschaffung der Welt, als einer rechten. Die wirkliche
Genesis ist nicht am Anfang, sondern am Ende, und sie beginnt erst
anzufangen, wenn Gesellschaft und Dasein radikal werden, das heißt sich
an der Wurzel fassen. Die Wurzel der Geschichte aber ist der arbeitende,
schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Hat er
sich erfaßt und das Seine ohne Entäußerung und Entfremdung in realer
Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die
Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat."</div><div style="text-align: justify;">ERNST BLOCH: Das Prinzip Hoffnung (Schluss)
</div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-38725566048791454162022-08-18T12:33:00.004+02:002022-08-18T12:33:28.871+02:00<div style="text-align: justify;"> "In Wirklichkeit ist alles, was wir fotografieren, wir selbst im anderen … die ganze Zeit."</div><div style="text-align: justify;">EVELYN HOFER<br /></div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-83185498296222229892022-08-18T11:28:00.002+02:002022-08-18T11:28:16.609+02:00<div style="text-align: justify;"> "Was von ihm bleibt, ist meine Sache, nicht seine: Denn der, den der Tod hat, hat keine Sache mehr. Meine Sache, die mir von ihm bleibt, ist meine Erinnerung an ihn und meine Trauer über meinen Verlust, und nichts ist persönlicher als diese beiden [...]. Die Trauer vergeht, nur die Erinnerung bleibt, wenn sie sich auch verändert. Aber der Mensch hat nichts Grösseres als die Erinnerung. Ist doch sein Erleben schon ein Sich-Erinnern, denn die Gegenwart, wird sie realisiert, ist schon Vergangenheit geworden, wie die Worte, die ich spreche, vergehen, indem ich sie spreche."</div><div style="text-align: justify;">FRIEDRICH DÜRRENMATT: Trauerrede für Werner Wollenberger, Zürcher Fraumünster, 22.10.1982, zit. nach: Du, Nr. 909 (November 2021), 74<br /></div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-83974633719854115472022-07-23T09:09:00.002+02:002022-07-23T09:12:27.036+02:00<div style="text-align: justify;"> "Was stelle ich mir unter einer 'Textur der Erinnerung' vor? Sie ist eine Art Aura. Ob wir alte Gegenstände, Steine oder Geschirr aufbewahren, ob wir Gemälde in Auftrag geben und an die Wand hängen, im Glauben, sie werden bleibend sein; ob wir akribisch jeden Zettel aufheben, auf dem wir irgendetwas notiert haben (so wie ich), oder ob wir naiv an die endlosen Möglichkeiten der Fotografie und des digitalen Gedächtnisses glauben - es ist und bleibt ein unmögliches Unterfangen, die Vergangenheit zu konservieren. Und dennoch zeigen uns die Fotografien Dayanita Singhs: Wenn wir all die Dinge, mit denen wir versuchen, das Vergangene zu bewahren, die alten Kunstwerke, Aufzeichnungen und Gegenstände, wenn wir also versuchen, diese im Gedächtnis zu fixieren, und zwar so, wie sie uns heute erscheinen - dann merken wir, wie existenziell, ja geradezu heilig diese unsere vergeblichen Versuche sind. Unser Gedächtnis bietet uns kaum je etwas, woran wir uns festhalten können. Aber vielleicht sind es auch gar nicht die Details unserer Erinnerungen, die zu uns sprechen, sondern die Aura der Erinnerung, die in den Dingen steckt, mit denen wir uns umgeben. Unweigerlich schürt diese Aura in uns eine Art von Melancholie - wie wenn wir griechische und römische Ruinen und verlassene Gebäude sehen."</div><div style="text-align: left;">Aus: ORHAN PAMUK: Siehst du den Geruch der Vergangenheit. In: Das Magazin, 2022, No 27 (23. Juli 2022), 23-27</div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-21837163755676720482022-07-06T12:03:00.003+02:002022-07-06T12:03:19.858+02:00<div style="text-align: justify;"> "Die Furcht vor dem Verlassenwerden - und als Folge davon der Drang, die Menschen zu verlassen, von denen verlassen zu werden sie fürchtete - wurde zum Kennzeichen ihrer Persönlichkeit."</div><div style="text-align: justify;">BENJAMIN MOSER über Susan Sontag. In: Ders.: Sontag : die Biografie. 1. Auflage. München : Penguin Verlag, [2020], 48</div><div style="text-align: justify;">"Susan wurde der Eindruck vermittelt, das Leben der Mutter liege in ihren Händen, und Kinder in dieser Situation bemühen sich in der Regel verzweifelt darum, perfekt zu sein - Susan sei 'ungewöhnlich brav' gewesen, sagte ihre Mutter -, in der schrecklichen Furcht, dieser Verantwortung nicht gerecht zu werden. Im Bewusstsein seiner Unzulänglichkeit leidet das Kind eines Alkoholikers unter einem Mangel an Selbstwertgefühl, weil es, egal, wie überschwänglich es geliebt wird, immer den Eindruck hat, es versage. Unfähig, Liebe für selbstverständlich zu halten, wird es im Erwachsenenalter abhängig von der Bestätigung anderer - nur um sie zurückzuweisen, wenn es sie bekommt."</div><div style="text-align: justify;">Ebd., 52</div><div style="text-align: justify;">"Als Eltern für ihre Eltern dürfen sie [Kinder von Alkoholikern] die Sorglosigkeit normaler Kinder nicht ausleben. Und so legen sie eine frühreife Ernsthaftigkeit an den Tag. Doch wenn sie erwachsen sind, fällt die Maske 'ungewöhnlicher Bravheit' häufig, und es zeigt sich ein viel zu frühzeitig gealtertes Kind."</div><div style="text-align: justify;">Ebd., 52-53</div><div style="text-align: justify;">"Fremde in der eigenen Familie, verspürte sie keinen grösseren Wunsch, als zu entkommen."</div><div style="text-align: justify;">Ebd., 53</div><div style="text-align: justify;">"Doch obwohl sie versuchte, sich zu distanzieren ('ich hasse alles an mir - insbesondere alles Körperliche -, das ihr [der Mutter] gleicht'), die Verbindung, auch wenn sie sie leugnete, blieb bestehen."</div><div style="text-align: justify;">Ebd., 55<br /></div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-8462398.post-73637301232457265202022-07-05T15:26:00.005+02:002022-07-06T12:03:40.770+02:00<div style="text-align: justify;">"Die Medien belieferten jeden Einzelnen mit Bildern und Worten und nahmen ihm die eigene Erkundung und Erfahrung der Welt mehr und mehr ab. Sie schufen eine Scheinnähe der Wirklichkeit, die die entferntesten Dinge vertraut erscheinen liess und sie dadurch - mangels eigener Erfahrung - noch mehr entfremdete. [...] Zeit und Raum, die auch unseren eigenen Standpunkt definieren, verlieren dabei zunehmend an Bedeutung und machen auch die eigene Existenz beliebig, 'da es eben zur Struktur des In-der-Welt-Seins gehört, dass sich die Welt in konzentrischen Nähe- und Fernekreisen um den Menschen herum staffelt', schreibt Günther Anders. 'Und weil derjenige, dem alles gleichermassen nah und fern ist, derjenige, den alles gleichermassen angeht, entweder ein indifferenter Gott oder ein völlig denaturierter Mensch ist.'"</div><div style="text-align: justify;">BORIS VON BRAUCHTITSCH: Kleine Geschichte der Fotografie. 3., durchgesehene und erweiterte Auflage. Ditzingen : Reclam, 2018, 152-153</div>Hugohttp://www.blogger.com/profile/05833770111781753007noreply@blogger.com0