Dienstag, August 17, 2021

"Kraft holt man sich auch daraus, anderen Kraft zu geben. In anderen Worten: gebraucht zu werden, helfen zu können. Kraft holt man sich aus den Menschen, die einem nahe sind. Und überfordert sie, wenn man nicht aufpasst, wenn man sich nicht selber auflädt in geklauter Zeit."
GABRIELE VON ARNIM: Das Leben ist ein vorübergehender Zustand. Hamburg : Rowohlt, 2021, 66
"Immer wieder will ich Welt. Aber wenn ich dort bin, weiss ich nicht so recht, was ich dort soll. Bleibe am Rand. Eine Schattenfigur. An losen Bändern nur festgemacht am Leben der anderen."
Ebd., 84
"Ausgerechnet in dem Moment, in dem es kein Wir mehr gibt, verschwindet auch das Ich. Man ist nicht länger, wer man war, und ist noch nicht, wer man sein könnte, vielleicht sein wird. Man ist nicht. Und weiss nicht, wie man sein kann ohne Wir und ohne Ich. [...] Ein neues Ich muss gefunden und das IchSein geübt werden."
Ebd., 218
"Warum ist Selbstmitleid ein gesellschaftliches Tabu, das man so gern mit leichter Verachtung konstatiert. Ich will es. Ich brauche es. Ich bestehe darauf. Ich werde es lernen, Mitleid mit mir selbst zu haben. [...] Mitgefühl für sich, Zärtlichkeit."
Ebd., 222
"Auch den Morgen muss man bezwingen, den vor allem. Die Geborgenheit des Schlafs verlassen, sich der unbarmherzigen Helligkeit stellen, die sich aus der Nacht schält. In die muss man hinein. Allein. Ich mag sie nicht, die Stunde zwischen Schlaf und Tag. Die Aussicht auf die immer gleiche Morgengymnastik, die Dusche, das Frühstück, die Zeitung, ein Telefonat oder auch drei, Mails, Alltagsverwaltung, Bücher, Spaziergänge. Ich will Schneisen mähen im Einerlei. [...] Immer muss man sich etwas trauen, sich etwas zutrauen. Muss sich glauben, alleine wohnen zu können, muss sich erlauben, Schönheit für sich zu schaffen. Das ist nicht immer nur tröstend. Es tut auch weh. Weil man ja Schönheit noch dringlicher teilen möchte als Gram. Ich übe, übe auch, es mir gutgehen zu lassen. Wie Max Frisch es probiert hat: 'Nicht ohne eine gewisse Entschlossenheit beginne ich, mich zu verwöhnen..'"
Ebd., 224-225

Samstag, August 14, 2021

"Die Worte beschützten mich. Eingehüllt in einen Mantel aus Sätzen und Seiten und Punkten und Ausrufezeichen, fürchtete ich mich weniger. Der Blick auf das Geschehen hat das Geschehen selbst entdramatisiert, aus der Wirklichkeit eine Erzählung gemacht, die ich las und im Moment des Lesens nicht lebte."
GABRIELE VON ARNIM: Das Leben ist ein vorübergehender Zustand. Hamburg : Rowohlt, 2021, 33

Donnerstag, August 12, 2021

"Die Beschädigungen verschwinden nicht etwa höflich, vielmehr setzen sie ihre Dämonen frei. Es musste so sein, sie konnte sich nicht vorstellen, dass es sich anders verhielt."
WILLIAM TREVOR: Ein Idyll im Winter. In: Ders.: Letzte Erzählungen. Hamburg : Hoffmann und Campe, 2020, 173

Dienstag, August 03, 2021

"… a gesagt, b gemacht, c gedacht, d geworden. Alles was man sich vornimmt, wird anders als man sich’s erhofft …" 

H.C. Artmann