Montag, Oktober 18, 2010

"[...] Nun hat sich aber in diesem Lande seit einiger Zeit der Wahn ausgebreitet, der Schweizer Dialekt sei die Muttersprache der Schweizer und das Hochdeutsche die erste Fremdsprache. [...] In Wahrheit ist in der Schweiz der Dialekt nur für Analphabeten die ausschliessliche Muttersprache.
[...] Unsere Muttersprache ist Deutsch in zwei Gestalten: Dialekt und Hochdeutsch, und zwar so selbstverständlich und von früher Kindheit an, wie das Fahrrad zwei Räder hat. Wir wachsen mit beiden Gestalten unserer Muttersprache auf, erfahren und erweitern unsere Welt in beiden Gestalten ein Leben lang [...].
PETER VON MATT: Der Dialekt als Sprache des Herzens? Pardon, das ist Kitsch! In: Der Bund, 19.10.2010, 35

Samstag, Oktober 16, 2010


Bild: Hugo Keller
Apulien, Herbst 1990
"Swissness heisst der neue Mainstream. Ausserhalb davon steht jedoch die Bergbegeisterung der nationalkonservativen Kräfte. Während die 'Weltwoche' ('Urchig statt urban') das Stadtleben mit 'Verwahrlosung' assoziiert, steigt SVP-Parteistratege Christoph Blocher für die Fernsehsendung 'Berg und Geist' aufs Faulhorn. 'Wir sind die Achtundsechziger', sagt er auf einem Fels sitzend, 'wir haben durchgehalten. Wie die Berge, die gestanden sind. Wir haben uns nicht wegblasen lassen, nur weil in Berlin da der Dutschke war und so eine übermütige Studentenbewegung.'"
Aus: THOMAS ZAUGG: Die Rückkehr der Geistigen Landesverteidigung. In: Das Magazin, No. 41, 16.-22.10.2010, 12-16

Dienstag, Oktober 12, 2010

"Vorzeigen des persönlichen Bestecks.
Grüssen eines Unteroffiziers, eines Offiziers und Abschied nehmen von einem Oberst.
Hier! rufen beim eigenen Namen, schweigen bei fremden Namen.
Je nach Befehl gehen, sich nach etwas bücken, liegen oder bloss dastehen.
Laufen oder nicht laufen, je nachdem ob Vorwärts! oder Halt! gerufen wird.
Schwere Gegenstände tragen, zu zweit, zu dritt, zu viert oder allein.
Fluchen.
Nicht gespannt und nicht gelangweilt zuhören, wie es andern so geht.
Nach etwas riechen.
Auf winterlichen Schulhausplätzen den persönlichen Hauch und den Husten bemerken.
Auf Wiesen das Gras vor sich sehen und Schritte hören im Gras hinter sich.
Reinigen der Schuhe.
Duschen der Schultern, des Rückens, des Bauches, des Gesässes und der Geschlechtsteile, Arme und Beine, Füsse und Hände und dabei laut lachen.
Kämmen des Kopfes.
Bedecken des Kopfes mit einer persönlichen Mütze und abdecken des Kopfes. Überhaupt: anziehen und ablegen von Kleidern und auswechseln von Einrichtungen am Körper.
Gut! rufen, wenn es gut ist, und wenn es schlecht ist, nicht rufen: Schlecht!
In persönlichen Schuhen am Pissoir stehen.
Vorher rauchen und trinken.
Sich schämen, traurig und schlapp werden.
Vorher Witze reissen.
Nachts misstrauisch und überrascht in den Himmel schauen und frieren dabei.
Auf Landkarten nachsehen, ob man irgendwo ist."
JÜRG SCHUBIGER: Tagesbefehl. In: Peter Stamm (Hrsg.): Diensttage. München [etc.]: Nagel & Kimche 2003, 12-13