"Eine Giesskanne, eine auf dem Feld verlassene Egge, ein Hund an der Sonne, ein ärmlicher Kirchhof, ein Krüppel, ein kleines Bauernhaus, alles dies kann das Gefäss meiner Offenbarung werden. Jeder dieser Gegenstände und die tausend anderen ähnlichen, über die sonst ein Auge mit selbstverständlicher Gleichgültigkeit hinweggleitet, kann für mich plötzlich in irgend einem Moment, den herbeizuführen auf keine Weise in meiner Gewalt steht, ein erhabenes und rührendes Gepräge annehmen, das auszudrücken mir alle Worte zu arm scheinen. Ja, es kann auch die bestimmte Vorstellung eines abwesenden Gegenstandes sein, der die unbegreifliche Auserwählung zu teil wird, mit jener sanft oder jäh steigender Flut göttlichen Gefühles bis an den Rand gefüllt zu werden."
HUGO VON HOFMANNSTHAL: Der Brief des Lord Chandos. Hrsg. von Fred Lönker. Ditzingen : Reclam, 2019. (Reclams Universal-Bibliothek ; Nr. 19503), 15
"Es erscheint mir alles, alles, was es giebt, alles, dessen ich mich entsinne, alles, was meine verworrensten Gedanken berühren, etwas zu sein. [...] und ich fühle ein entzückendes, schlechthin unendliches Widerspiel in mir und um mich, und es giebt unter den gegeneinander spielenden Materien keine, in die ich nicht hinüberzufliessen vermöchte. Es ist mir dann, als bestünde mein Körper aus lauter Chiffren, die mir alles aufschliessen. Oder als könnten wir in ein neues, ahnungsvolles Verhältnis zum ganzen Dasein treten, wenn wir anfingen, mit dem Herzen zu denken."
Ebd., 18

