Montag, Dezember 03, 2018

SCHIRACH
"Vielleicht brauchen wir auch keine grossen philosophischen Erklärungen. Wir können heute sogar sehen, dass wir tolerant sein müssen. Die Voyager I startete 1977 von Cape Canaveral, sie ist die erste Sonde, die unser Sonnensystem verliess. Obwohl die Sonde eigentlich keine Kraft mehr hatte, schickte sie 1990 letzte Fotos zur Erde, über eine Strecke von 6 oder 7 Milliarden Kilometern, der grössten Entfernung, aus der jemals ein Foto gemacht wurde. Auf einem dieser Fotos ist unser Sonnensystem zu erkennen, viele Sterne und links [i.e. rechts] unten ein kleiner hellblauer Punkt, noch nicht mal von der Grösse einer Stecknadel. Das ist die Erde, dort ist alles, was wir waren und was wir sind. Das Foto hängt über meinem Schreibtisch. Wenn Sie es ansehen, wird Ihnen klar, wie verrückt wir sind, dass wir Kriege führen und uns töten. In unserer Milchstrasse gibt es 100 Milliarden Sonnensysteme und im Weltall 100 Milliarden solcher Galaxien. Das alles zusammen sind etwa 10% des Universums, der Rest ist leer und minus 270° C kalt. Wir sind vergänglich, wir haben keine Gewalt über unser Leben. Marc Aurel schrieb, Alexander der Grosse und sein Maultiertreiber haben am Ende den gleichen Weg genommen. Es bleibt uns nichts übrig, wir müssen zusammenhalten."
FERDINAND VON SCHIRACH, ALEXANDER KLUGE: Die Herzlichkeit der Vernunft. München : Luchterhand, 2017, 71

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