Freitag, Oktober 23, 2015

"Dindo: Es gibt den bekannten Satz von Cocteau, dass der Film den Tod an der Arbeit zeige. Das ist ein Bewusstsein, das ich sehr stark habe. Der Dokumentarfilmemacher hat immer ein wenig den Eindruck, dass er den Tod an der Arbeit filmt. Du sitzt jemandem gegenüber, der, wie du selber auch, immer im Begriff ist zu sterben, und das Bild, das du von ihm filmst, wird eines Tages das Dokument seiner Präsenz dir gegenüber geworden sein. Im Augenblick des Filmens hast du bereits das Bewusstsein der Erinnerung an diesen Augenblick, und eines Tages wird der Film die Spur davon sein.
[...] Frischs écriture ist ständige, visualisierte Erinnerung. Manchmal hat man den Eindruck, wie wenn er einen Erinnerungsfilm beschreiben würde.
[...] Umgekehrt hat er ein eigentümliches Verhältnis zu seinem eigenen Abbild, das ihm selten gefällt. Manchmal hat er geradezu eine Aversion dagegen. Er sieht dann etwas darin, was sonst niemand sieht.
[...]
Lachat: Ist die Erinnerung, die das Dokument auslöst, zu schmerzhaft, weil es an die vergehende Zeit erinnert, also an den Tod? Oder verhindert es die Erinnerung überhaupt?
Dindo: Zweifellos ist der Widerstand gegen die Fotografie (von sich selber) immer auch ein Widerstand dagegen, sich mit seiner eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Insofern kann auch die Fiktion ihrerseits ein Aspekt dieses Widerstandes sein. Die Fiktion (als "Geschichten erzählen") ist immer irgendwo auch Verleugnung von etwas."
Aus: INTERVIEW PIERRE LACHAT/RICHARD DINDO, im Begleitheft zu: Max Frisch: Journal I-III/Gespräche im Alter : zwei Filme von Richard Dindo und Philippe Pilliod. Berlin : Suhrkamp, 2011. (Filmedition Suhrkamp ; 24)

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