Dienstag, September 28, 2010

"[...] Doch Unkenntnis eines Geschehens schützt vor seinen Folgen nicht. Im Gegenteil: sie ist das Vakuum, das Macht, die nichts als Macht ist, sucht, um es zu füllen. Ein ähnliches Vakuum freilich entsteht, wo die Überfülle wahllos rezipierter Informationen Vorstellungskraft und Urteilsvermögen 'erschlägt'. Das Ergebnis ist Indifferenz, deren tiefste Wurzel Fromm allerdings nicht in enstchuldbarer Abstumpfung, sondern in einer lebensfeindlich gewordenen Wertordnung sehen will: 'Unsere grösste Gefahr ist vielleicht nicht so sehr die Grausamkeit, sondern vielmehr die Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben, welche eine Folge unserer Vergötterung alles Mechanischen, Organisierten und Unlebendigen ist.'
Als Gegenkraft gegen Verrohung und Indifferenz nennt Fromm die grossen Religionen: 'Muss ich daran erinnern, dass die Ausschaltung zerstörerischer Impulse das Anliegen aller grossen Religionen gewesen ist - des Christentums so gut wie des Judentums und des Buddhismus?' Diese Religionen stehen, nach Fromm, gegen die schrecklichste Perversion, deren der Mensch fähig ist, nämlich gegen die 'Hinneigu-ng zu Verfall und Tod und die irrationale Leidenschaft, andern unsern Willen aufzuzwingen, indem wir ihnen Leid zufügen'."

KURT MARTI: Notizen und Details 1964-2007. Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2010, 200-201.

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