Dienstag, August 07, 2007

"Hat die Literatur ihre gesellschaftliche Funktion geändert, und hat sie nicht mehr den Anspruch, Sand im Getriebe zu sein?
Schweikert: Doch, in gewisser Weise schon. Ein Buch ist immer Sand im Getriebe, allein schon für diejenigen, die es herstellen. Das ist gar nicht anders möglich. Es ist unglaublich viel Zeit gespeichert in einem Text. Es ist die Frage, was das bedeutet. Ich würde das immer auch als einen Widerstand wahrnehmen. Ein Widerstand gegen das Leicht-Prinzip, gegen die Vergänglichkeit usw. Und auch gegen die restlose Verdaubarkeit.
Mettler: Gegen die Geläufigkeit , würde ich sagen.
Widmer: Literatur ist immer Abweichung. Das ist immer so gewesen. Abweichung vom Mainstream des Denkens und des Sprechens. Die Literatur weicht vom Normalen immer ab. Entscheidend ist, das die Autoren das unfreiwillig tun. Sie können nicht anders, und zu einem gewissen Teil merken sie es gar nicht. Zum andern Teil, weil sie ja nicht ganz blind sind, wissen sie schon, was sie tun. Diese Abweichung ist der Sand. Der gute Autor hat gar keine Wahl. Das ist die ungeheure Qualität von Literatur. Und das ist ihr Elend."
"Es ist unglaublich viel Zeit gespeichert in einem Text": Wie steht es um die Literatur in der Schweiz? - Ein Gespräch mit RUTH SCHWEIKERT, URS WIDMER und MICHAEL METTLER. In: NZZ, 23.07.2007, 21.

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