Mittwoch, Juli 02, 2025

"Sie ist gestorben. Ich bin immens traurig. Seit heute Morgen weine ich. Ich weiss nicht, was hier gerade passiert. Das ist es. Die Zeitrechnung hört auf, ja. Man ist nicht auf den Schmerz vorbereitet. Wunsch, sie noch einmal zu sehen. Der Moment ist gekommen, ohne dass ich ihn mir vorgestellt, ihn vorhergesehen hätte. Sie war mir verrückt lieber als tot.
Mir ist übel, ich habe Kopfschmerzen. Ich hatte so viel Zeit, mich mit ihr zu versöhnen, und habe nicht genug dafür getan. Gestern kein Gedanke daran, dass ich sie vielleicht zum letzten Mal sehe."
ANNIE ERNAUX: Ich komme nicht aus der Dunkelheit raus : Roman. Berlin : Suhrkamp Verlag, 2025. (Bibliothek Suhrkamp), 95
"Ich habe akzeptiert, dass sie wieder zu einem Kind geworden war und nie gross werden würde. Zum ersten Mal verstehe ich den Vers von Paul Éluard, "die Zeit läuft über".
Ebd., 98
"Ich habe überall in der Welt nach der Liebe meiner Mutter gesucht. Was ich hier schreibe, ist keine Literatur. Ich sehe den Unterschied zu den Büchern, die ich bisher geschrieben habe, und doch auch wieder nicht, denn ich kann keinen Text schreiben, der nicht genau das hier ist, dieses Bedüprfnis zu retten und zu verstehen, vor allem aber zu retten."
Ebd., 99
"In den ersten Tagen habe ich die ganze Zeit geweint, hemmungslos. Jetzt überkommt es mich plötzlich, bei einem Detail, beim Anblick eines Gegenstands. [...] Draussen ist der Schmerz schlimmer als drinnen. Als würde ich draussen nach ihr suchen. Draussen, das ist die Welt. Vorher war sie irgendwo in dieser Welt."
Ebd., 104

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