Sonntag, Juni 25, 2006

"Die Präsidenten sind angereist, um sich gemeinsam fotografieren zu lassen und miteinander zu dinieren. Nach dem Essen setzen sie sich an einen runden Tisch und reden übers Regieren, derweil die Verdauung sie träge macht. Was sie sagen, wurde ihnen von Angestellten aufgeschrieben. Die Angestellten, welche Präsidenten aufschreiben, was sie zu sagen haben, sind in der Regel unfroh und trinken aus Überdruss zuviel Alkohol. Die Sätze der Präsidenten sind deswegen meist vernebelt. Präsidenten hören einander jedoch nicht zu und stören sich deswegen nicht am Nebel, in dem sie gemeinsam versinken. Sie sind vom vielen Reisen müde und dösen vor sich hin, nachdem sie ihre Sätze abgelesen haben. Da Präsidenten in der Gefahr stehen, von Wahnsinnigen umgebracht zu werden, schirmt man sie von der Aussenwelt ab. Auf diese Weise geschieht es nur selten, dass die vernebelten Sätze, die sie sagen, an die Öffentlichkeit dringen. Was an die Öffentlichkeit dringt, sind Zusammenfassungen ihres Gesagten, welche wiederum von anderen Angestellten gemacht werden, die ebenfalls aus Überdruss rauchen und zuviel Alkohol trinken."

MATTHIAS ZSCHOKKE: Maurice mit Huhn. Zürich: Ammann Verlag 2006, 176.

1 Kommentare:

Blogger turnaround meinte...

Amüsant, dieser Text. Auf dieser Seite verweile ich gern...

1:13 PM  

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