Sonntag, Januar 29, 2006

"Was muss das für ein Schock gewesen sein im Hause Mozart, als der Vater im Kleinkind das Genie erkannte. Man meint ein herziges, gescheites Kind zu haben und sieht unvermittelt - ein Krokodil. Ein Genie wie Mozart wird nicht; das ist - paff - wie ein Meteor aus dem Universum. Kein spielendes Kind, eher ein spielender Erwachsener.
Es ist in der menschlichen Gesellschaft nicht vorgesehen, ein Genie grosszuziehen, dafür gibt es keine Vorbilder. So ein dämonisches Wesen okkupiert selbstverständlich seine Umgebung, man kann es nicht 'erziehen', es ist ein geliebter und zugleich beängstigender Hausgenosse. - Von seinen ersten musikalischen Äusserungen an ist Mozarts Weg als Künstler von einer Unbeirrbarkeit, von einer atemberaubenden Sicherheit - genau konträr zu seinem äusserlichen Lebensweg.
Schon als Kind komponierte er Werke, deren emotionaler Inhalt weit über das hinausgeht, was er erlebt und erfahren haben konnte. So können wir von dem Jüngling, der er immer war und blieb, die letzten und tiefsten Geheimnisse von Liebe und Tod, von Tragik, Schuld und Glück erfahren.
Er zwingt uns, in seelische Abgründe zu schauen und kurz darauf in den Himmel; vielleicht ein Griffel in der Hand Gottes."

NIKOLAUS HARNONCOURT: "Wir müssten ganz still und aufmerksam zuhören." Wolfgang Amadeus Mozart, seine Musik und unsere Zeit. In: NZZ, 28./29.01.2006, 69.

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